Melodie für einen schönen Mann by Monika Held

Melodie für einen schönen Mann by Monika Held

Autor:Monika Held [Held, Monika]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7325-0433-6
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-02-17T16:00:00+00:00


Als im Bürogebäude die Tür aufging, wusste Jenny nicht, ob sie eine oder zwei Stunden Mau-Mau gespielt hatte. Eduardo stand in der Sonne. Er trug ein dunkelblaues Hemd, hatte die Ärmel hochgekrempelt, seine Haut schimmerte olivbraun. Sie wollte aufspringen, ihm entgegenlaufen und blieb sitzen, als hätte sie einen Sack Mehl auf dem Schoß. Er stellte seinen Rucksack ab und strich sich mit beiden Händen das Haar aus der Stirn. Er sah sich um, er suchte sie. Eduardo lächelte in den Himmel. Er stand vor dem Gebäude wie ein Sheriff. Ist es hinterhältig, einen Menschen zu beobachten, den man kennt? Es ist wie Lauschen, dachte Jenny, nur mit den Augen. Keine seiner Bewegungen war für sie bestimmt. Warum stand sie nicht auf?

Eduardo bückte sich. Er zog das Handy aus dem Rucksack. Jenny sah die Bewegungen seiner Finger. Einschalten, Code tippen, o. k. drücken, ihre Nummer im Verzeichnis suchen. Rasch nahm sie ihr Handy aus der Tasche und hielt es ans Ohr, aber es blieb stumm. Sie sah, wie er die Lippen bewegte. Er lächelte auf diese besonders innige Art, von der sie dachte, die gehöre ihr allein, die habe er für sie erfunden. Flüchtig tauchte das Gesicht von Gallina vor ihr auf – aber warum sollte er Gallina anrufen? Er wird mit Kroll sprechen. Jenny zeigte auf Eduardo und sagte zum Kartenspieler: Mir tut das Herz weh, wenn ich diesen Mann ansehe. Was glaubst du: Gibt es ein Lächeln, das nur für einen Menschen reserviert ist?

Eduardo wollte nicht spazieren gehen, nicht über die Anhörung reden. Er wollte kein erotisches Spiel. Er saß seit einer halben Stunde neben Jenny im Auto und schwieg. Er war kein Sieger mehr – aber was war er dann?

Was ist mit dir?

Er nahm ihre Hand und schwieg. Na gut, sagte Jenny, drehte mitten auf der Straße, fuhr ans andere Ende der Stadt und parkte vor dem Tor zum Antiquariat. Es war mehr ein Impuls als ein Gedanke. Sie brachte ihn zu Gallina.

Steig aus, Eduardo.

Er sah sie an. In seinen Augen war kein Strahlen mehr. Er wirkte erschöpft und sah traurig aus.

Komm mit, Jenny, bitte.

Gallina stand mit ausgebreiteten Armen im Hof, als hätte sie Eduardo erwartet. Die Art, wie sie ihn an sich drückte, faszinierte Jenny und stieß sie ab wie etwas Obszönes. Beide hatten die Augen geschlossen. Gallina murmelte monoton, als wiederhole sie ein Mantra: Baron, mein Baron, mein kleiner Baron, als fülle sie eine leere Batterie mit Energie auf. Was fühlten die beiden? Sahen sie Bilder aus der Vergangenheit? Welche? Nach einer Weile völliger Versunkenheit schob er Gallina beiseite. Wo immer er gewesen war, jetzt war er zurück. Er legte seinen Arm um Jenny und sagte zu Gallina: Meine Frau hat Hunger. Und ich auch. Noch nie hatte er sie seine Frau genannt.

Gallina brachte ein mit Mais gefülltes Huhn. Sie stellte heiße Bananen auf den Tisch, frisches Brot und Wein. Sie fragte vorsichtig, ob sie sich zu ihnen setzen dürfe, als gehöre Eduardo nun wieder Jenny. Jenny ließ spanische Sätze an sich vorbeirauschen, aß unmäßig, trank, rauchte und blieb hungrig.



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